Die SACD "Edward Elgar, Violinkonzerte und Violinsonate mit Thomas Albertus Irnberger, Royal Philharmonic Orchestra, James Judd und Michael Korstick", Gramola 99141, war eine der international erfolgreichsten neuen Produktionen. Bei Open Spotify können Sie die Aufnahme hören. Zur Veröffentlichung zu Beginn des Jahres hatte Tabea Eppelein die Gelegenheit, dem Salzburger Geiger einige Fragen zu stellen.
Thomas Albertus Irnberger gehört zu den großen österreichischen Geigern. Seiner Diskographie von mittlerweile über 40 Aufnahmen hat er nun eine neue hinzugefügt: Auf seiner aktuellen CD ist das Violinkonzert sowie die Violinsonate von Edward Elgar zu hören. Für Irnberger ein besonderes Herzensanliegen: „Ich liebe seine Musik“.
Im Interview mit Tabea Eppelein verrät er, wieso ihn Elgars Musik derart reizt, wie er die Konzentration beim Violinkonzert meistert und welche geheime Botschaft er gerne entschlüsselt hätte.
Was reizt Sie an Edward Elgars Musik?
Ich halte Edward Elgar für einen der größten Sinfoniker der Moderne. Seine Musik spiegelt die Stimmungen einer „Welt von Gestern“ wieder – sozusagen die letzten glorreichen, aber bereits von Endzeitstimmung durchdrungenen Tage vor der Katastrophe des Ersten Weltkriegs. Es wird immer kolportiert, dass Elgar sich von der Natur inspirieren ließ, was sicherlich richtig ist, sagt er doch selbst, dass die Bäume seine Musik singen würden und fragt zugleich: „Habe ich die ihre gesungen?“ Es gibt ein schönes Herbstgedicht von Max Dauthendey, wo es heißt: „Die Bäume sehen in den Staub. Sie lauschen auf den Schritt der Zeit.“ Für mich lauscht Edward Elgar auf den Schritt seiner Zeit und setzt diese in Musik. Ich bin mir sicher, dass er keine abstrakte Musik komponiert hat. Seine Musik hat etwas wunderbar Nostalgisches.
Warum wollten Sie damit eine CD aufnehmen?
Spielen und aufnehmen wollte ich Elgars Violinkonzert und seine Violinsonate eigentlich schon seit meinem 15. Lebensjahr. Ich hatte nämlich das große Glück, einige Meisterkurse bei Alberto Lysy, dem bedeutenden argentinischen Geiger und Leiter der Yehudi Menuhin Akademie in der Schweiz, absolvieren zu dürfen. Dieser war anfangs Student bei Yehudi Menuhin und ihm später so freundschaftlich verbunden, dass dieser ihm viel von den Begegnungen mit Elgar erzählte, zum Beispiel dass die Ansichten des Komponisten über die Interpretation des Violinkonzerts von den seinen abwichen. Yehudi Menuhin hatte einen sehr lyrischen Zugang zum Werk, was auch die Wahl seines Tempos beeinflusste. Elgar selbst wollte einige Passagen heroischer und besonders im dritten Satz im nostalgischen Rückblick ein schnelleres Tempo, um die „verfliegende Zeit“ zu charakterisieren. Der Komponist war dann aber vom Spiel des 16-jährigen Yehudi so begeistert, dass er seine Interpretation tolerierte. Ich orientiere mich aber nun an den Wünschen des Komponisten.
Was begeistert Sie besonders an Elgars Violinkonzert?
Der Melodienreichtum, die Vielfalt der Spiel- und Ausdrucksmöglichkeiten, die Elgar der Geige bietet – er war ja selbst ausgebildeter Geiger – und seine reiche Instrumentierung. Das Violinkonzert ist kein Konzert mit Orchesterbegleitung, es ist eine Sinfonie mit Solovioline.
Edward Elgar hat nicht mit Emotionen um sich geworfen, heißt es. Zu diesem Konzert soll er jedoch „Ich liebe es“ gesagt haben. Geht es Ihnen ähnlich?
Dass Elgar nicht mit Emotionen um sich geworfen hat, möchte ich etwas in Abrede stellen. Seine Emotionen sind vielleicht nicht so vordergründig, vielleicht etwas versteckt hinter der englischen Noblesse, einer gewissen melancholischen Grundstimmung, bis dann die Leidenschaft ungezügelt herausbricht.
Ich liebe seine Musik.
Es ist wohl eines der schwersten und auch längsten Violinkonzerte – wie geht es Ihnen da mit der Konzentration?
Eines der schwersten und längsten Violinkonzerte ist sicherlich eine treffliche Charakterisierung. Einem Geiger verlangt es physisch und psychisch alles ab. Ich habe das Glück, dass ich sehr groß und breitschultrig bin und über einen sehr trainierten Oberkörper verfüge: Dadurch fällt mir das Durchhalten nicht schwer. Konzentrationsmäßig belastet es mich auch nicht. Was man einmal aufgenommen hat, bleibt.
Was haben Sie in Ihre Interpretation einfließen lassen?
Ich habe viel Literatur über Elgar gelesen und alle Informationen verarbeitet, die ich über Alberto Lysy von Menuhin erhalten habe.
Mit dem Royal Philharmonic Orchestra und James Judd scheint es besonders gut zu harmonieren. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Vor zwei Jahren habe ich mit dem Orchester und James Judd Beethovens Violinkonzert, die zwei Romanzen und das Tripelkonzert aufgenommen. Das war eine sehr beglückende Zusammenarbeit. Das Orchester hat einen unglaublich homogenen Klang, alles ist so ausgeglichen, es ist ein Orchester ohne Schwächen. Es gibt keine falschen Noten, keine falschen rhythmischen Passagen, die man vielleicht üben muss. Es geht vom Anfang bis zum Ende der Aufnahme nur um die Interpretation. Elgar war natürlich ein Heimspiel für das Orchester, James Judd, der Engländer ist, hat alle Sinfonien von Elgar dirigiert und oft auch das Violinkonzert, er ist ein großer Kenner der Werke Elgars – eine absolute Wunschbesetzung.
Inwiefern hört man in Elgars Violinsonate die Folgen des Ersten Weltkriegs und seine eigene angeschlagene Gesundheit?
In Elgars Leben gab es viele dunkle Momente, die sich dann musikalisch niederschlagen. Der erste Satz hat anfänglich rhythmisch einen etwas militärischen Charakter, bis er in Resignation fällt. Im zweiten Satz soll Elgar das Bild verdorrter Bäume vor sich gehabt haben – als Symbolik für die verbrannte Erde, für das Sterben.
Wenn Sie eine Frage an Edward Elgar stellen könnten – welche wäre es?
Ob er mir die geheime Botschaft verrät, die im unvollständigen spanischen Zitat, das er seinem Violinkonzert als Motto voranstellte, verborgen ist. Was wohl die fünf Auslassungspünktchen bedeuten, die Musikforscher zu ganzen Abhandlungen bewegen?
Eine Quintessenz der bereits vorliegenden Rezensionen zur CD
"Im Violinkonzert von Edward Elgar spielt Thomas Albertus Irnberger beseelt und expressiv, kräftig zupackend und kontrastvoll in den Ecksätzen, mit bewegender Zurückhaltung im langsamen Mittelsatz. Gerade hier, wo viele Künstler durch ein Zuviel an Gefühl sündigen, zeigt Irnberger, dass weniger wieder einmal mehr ist, und präsentiert so mit dem kongenial mit ihm atmenden Dirigenten James Judd eine sehr gute Darbietung. Auch die Sonate, mit der Elgar in seine Nachkriegs-Trauerphase eingetreten ist, wird mit Einfühlung und rhythmischer Klarheit wiedergegeben. Im Mittelsatz, einer Romanze, erreichen Irnberger und der Pianist Michael Korstick im perfekten Dialog eine hervorragende Rhetorik." Remy Franck, pizzicato
"Die spätromantisch überbordende Klanglichkeit von Elgars Violinkonzert verlangt nach einem Ton von Kraft und Fülle. Thomas Albertus Irnberger ist in dieser Hinsicht geradezu prädestiniert für dieses Werk. Er lässt den Violinpart erblühen. Solistisch hochfahrend und mit beeindruckender geigerischer Souveränität meistert er die zahlreichen technischen Herausforderungen. Elgars monumentales Violinkonzert zu kombinieren macht Sinn." Norbert Hornig, FONO FORUM
"Aber trotz der unbestreitbar hohen Kompetenzen des Royal Philharmonic Orchestra für dieses Repertoire und gerade wegen der virtuosen Verve des Pianisten Michael Korstick halten die Aufnahmen kurz vor dem musikalischen Olymp inne. Denn Thomas Albertus Irnbergers Partner legen so viel souveränes Können und repräsentationsfreudige Sicherheit in Elgar, dass die nicht nur distinguierten Stücke eine spürbare Dimension zu kühl geraten. Irnberger scheint umgeben von Eisblumen, die er diesmal nicht zum Schmelzen bringen kann. Fast schade ist das, weil er mit jedem Ton seine hohe Affinität zur Melodik und den technischen Schwierigkeiten Elgars bestätigt." Roland H. Dippel, Concerti