Auf ihrem Album «Nicht ganz allein» verbindet die Bratschistin Ursula
Sarnthein Klassik mit Volksmusik aus dem Appenzell, aus Dänemark
und aus Rumänien. Ein Besuch in ihrem Haus mit weitem Blick über Zürich.
"Geht etwas zu Ende, fragt Ursula Sarnthein sich schon bald: Was könnte als Nächstes kommen?
Denn der musikalische Kosmos der Bratschistin erschöpft sich keineswegs darin, im Tonhalle-
Orchester Zürich zu spielen, was die Rheinländerin seit 1998 mit Leidenschaft tut. Am Abend zuvor hat sie in der frisch renovierten Tonhalle Brahms’ erste Sinfonie gespielt. «Das war Kam-
mermusik mit 76 Teilnehmerinnen und Teilnehmern », sagt sie und lobt den Chefdirigenten
Paavo Järvi. Einen Mann, der sich «auch mal was traut», wie sie im Gespräch sagt.
Auch die 49-jährige Musikerin traut sich gern was – und lässt sich dabei auch in die tänzerischen Gefilde der Volksmusik treiben. Das Interesse geweckt hat ihr rumänischer Bratschenkollege Marius Ungureanu. Weitere Facetten hinzugefügt haben ein Studienjahr in Kopenhagen und eine vom Kollegen Florian Walser organisierte «Schubert-Stubete», die eine
Brücke zur Schweizer Volksmusik und insbesondere zum Appenzeller Volksmusiker Noldi Alder geschlagen hat. Auf höchst anregende Weise hat Ursula Sarnthein jetzt Volksmusik aus Rumänien, Dänemark und dem Appenzell auf einem Album mit klassischen Stücken
und moderner Musik verknüpft. Betitelt ist das Album nach einem Stück von Noldi Alder:
«Nicht ganz allein». So steht Bachs Chaconne neben Stücken von Heinrich Ignaz Franz Biber,
Franz Anton Hoffmeister und Armin Schibler. Und dazwischen geht es recht «lüpfig» zu.
«Man muss Volksmusik anders spielen», sagt sie. «Sie soll rauer tönen, Groove haben.» Sich in
sie zu vertiefen, das sei «wie eine andere Sprache zu erlernen. Ich mache das wahnsinnig gern.»
Man spürt die Lust am Neuen, wenn Ursula Sarnthein von ihren Projekten erzählt. Vom Trio Oreade etwa, mit dem sie besondere Programme erarbeitet. Von einer Zusatzausbildung
in Kulturmanagement, die sie in der Coronazeit absolviert hat.
Oder von ihrer Freude am Vermitteln von Musik, der sie in Einführungsveranstaltungen, in
Schulklassen und im CD-Booklet nachgeht. In diesem Booklet schreibt sie auch: «Im Rumänischen sagt man ‹ich singe ein Instrument› statt wie im Deutschen ‹ich spiele›. » Und tatsächlich lässt sie die Bratsche mit einer warmen, beschwingten Stimme singen. Sie fühlt sich zu Hause in der Musik – und die Musik bei ihr.
Ursula Sarnthein ihren runden Geburtstag feiern. Dann wird sie mit Freunden und der Familie
die Möbel wegräumen in ihrem alten Haus mit traumhaftem Blick über die Stadt Zürich.
Dann muss sie Platz haben: zum Tanzen."
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