top of page

Diyang Mei: Fünf Fragen -Fünf Antworten

FONO FORUM

1Ein Stück, das Ihnen viel bedeutet, das aber viel zu wenig bekannt ist:

York Bowen, Bratschenkonzert c-Moll op. 25. Dieses Stück bedeutet mir sehr viel, nicht nur

weil ich es kürzlich aufgenommen habe, sondern auch, weil es die Vielseitigkeit der Bratsche auf einzigartige Weise zur Geltung bringt. Leider ist es immer noch relativ unbekannt

und gehört nicht zum Standardrepertoire der Bratsche, ob wohl es sowohl musikalisch als auch technisch eine wahre Herausforderung für den Interpreten darstellt.


2 Ein Stück, das alle/die meisten anders spielen als Sie:

Bach, die Cellosuiten BWV1007-1012. Nicht nur die Cellosuiten, sondern jedes Werk von Bach wird meiner Meinung nach von jedem Interpreten unterschiedlich verstanden. Das ist das Große an Bachs Musik: Man spielt sie nie gleich. Selbst zweimal am Tag wird sie bei mir ganz

anders klingen. Im Laufe der Zeit, des eigenen Lebens und der persönlichen Erfahrung verändert sich die Musik. Sie wird fast wie das Universum – weit und offen – und lässt

jedem Musiker die Freiheit zu fliegen.


3 Ein Stück, das Sie nie wieder spielen wollen (aber früher spielen mussten):

Campagnoli, 41 Etüden für Bratsche. Diese Etüden sind zweifellos für die technische

Entwicklung wichtig, und es gibt auch einige sehr schöne Passagen darin. Aber als ich sie in jungen Jahren spielte, empfand ich sie insgesamt als ziemlich ermüdend. Mit 17 Jahren habe ich alle Etüden von Campagnoli in Peking aufgenommen, weil niemand sonst das gemacht hatte. Der Prozess war zwar interessant und hat mir sowohl in technischer Hinsicht als auch bei der Intonation sehr geholfen, doch besonders die Aufnahme der Etüden selbst war für

mich eine große Herausforderung und keine wirkliche Freude. Mit etwas Abstand denke ich, dass ich heute lieber andere Stücke spielen würde.


4 Das letzte Musikerlebnis, das Sie umgehauen hat (als Interpret oder als Zuhörer):

Bei einem Geburtstagskonzert von András Schiff habe ich mit anderen das Mozart-Streichquintett in g-Moll für ihn gespielt und hatte die einmalige Gelegenheit, ihm auf der Bühne bei der Aufführung der Beethoven-Klaviersonate Nr. 30 zuzuhören. So nah an einem so großen Musiker zu sein, war eine besonders prägende Erfahrung.


5 Ein Stück, dessen Erfolg Sie nie verstanden haben:

John Cage, 4‘33‘‘. Ich muss zugeben, dass ich das Konzept dieses Stücks nie vollständig verstanden habe. Zwar schätze ich die Idee der Stille in der Musik, aber es fällt mir

schwer, den Erfolg dieses Stücks nachzuvollziehen. Es bleibt für mich ein interessantes, aber auch rätselhaftes Werk. Es fordert mich zu fragen: Ist das wirklich Musik?



Mit zehn Jahren wechselte Diyang Mei, auf Anregung seines Lehrers am Zentralen Konservatorium in Peking, von der Geige zur Bratsche. Eine gute Idee! 2014 kam er

zum Studium (bei Hariolf Schlichtig) nach Deutschland. Er gewann 2018 den ARD-Wettbewerb, wurde ein Jahr später Solobratscher der Münchner Philharmoniker und ist seit 2022 Solobratscher der Berliner Philharmoniker.


FONO FORUM 03/2025






Comments


bottom of page