"Paradox genug: Bis heute steht die vieraktige, zweieinhalb Stunden lange Ballettmusik zu William Shakespeares „Romeo und Julia“, die Sergei Prokofjew 1936 vollendete, im Schatten der drei überaus populären Orchestersuiten. Auch die „Zehn Stücke“ op. 75, die er 1937 für Klavier solo transkribierte, hört man bis heute allzu selten im Konzertsaal, obwohl sie diese Auswahl ähnlich spektakulär für zwei Hände verdichten. Der 24jährige deutsche Pianist Julius Asal, der gerade sein Studium an der Berliner „Hanns-Eisler“-Hochschule abschloss, hat jetzt diesen Zyklus in den Mittelpunkt seines Debütalbums gestellt und ihn mit sechs eigenen Bearbeitungen von weniger bekannten Nummern aus dem Ballett zu einer 16teiligen, knapp 50 Minuten langen Suite erweitert. Man hat so noch einen besseren Eindruck von der stilistischen Vielfalt der grandiosen Ballettmusik, die auf engstem Raum alle Facetten der Shakespeareschen Tragödie in essentieller Dichte und in phänomenaler psychologischer Präzision in eine stets unmittelbar verständliche „moderne“ Musiksprache umsetzt: Erstaunlich auch die Souveränität und das Feingefühl des jungen Pianisten bei der Einrichtung seiner Auswahl: Denn man merkt keinen Unterschied zu der Qualität der Transkriptionen Prokofjews, so dass der „neue“ Zyklus hier wie aus einem Guss erscheint. Auch als Interpret überzeugt Asal auf ganzer Linie, denn er jongliert sehr geschickt und mit energischer Prägnanz zwischen den ständigen stilistischen Kontrasten dieses zwischen Klassizismus, Moderne, Bruitismus und feinstem Lyrismus pendelnden Werks. Zudem glänzt er durch erstaunliche technische Bravour. So fügen sich auch die beiden das Ballett einrahmenden, kaum bekannten Klavierzyklen des 16jährigen (op. 4) und des reifen (op. 62) Prokofjew zu einem schlüssigen und in jedem Moment spannenden Gesamtkonzept: Ein starkes, mutiges Statement eines hochbegabten Newcomers."
Attila Csampai
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