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Martin Blaumeiser, Klassik Heute

"ein ungewöhnliches Programm, dafür künstlerisch auf allerhöchstem Niveau."

Klassik Heute Empfehlung 10 -10 - 10


"Die noch recht junge Braunschweiger Pianistin Marie Rosa Günter überraschte letztes Jahr mit einer Aufnahme von Beethovens Hammerklaviersonate, die schon Referenzqualitäten aufwies. Im vorliegenden, gut zweistündigen Doppelalbum „Postscriptum‟ widmet sie sich mit ihrem französischen, mehrfach preisgekrönten Cellopartner Stanislas Emanuel Kim Musik Petersburger Komponisten. Zeitlich beginnend mit zwei Stücken von Anton Arensky aus dem Jahre 1887 zieht sich ein großer Bogen mit Schwerpunkt Schostakowitsch über Tonkünstler wie Boris Tischtschenko bis hin zur Serenade für zwei Violoncelli von – und mit – Kims Lehrer Leonid Gorokhov (2021). Neben der klassischen Duobesetzung Cello/Klavier gibt es zudem Solomusik für Cello bzw. Klavier. Das mag zunächst etwas inkonsistent erscheinen, erweist sich aber für den Hörer nicht nur als äußerst unterhaltsam und abwechslungsreich, sondern gibt tiefe Einblicke in den erstaunlich weiten Kosmos der Musik St. Petersburgs – bzw. Leningrads.

    

Im Zentrum der ersten CD steht Schostakowitschs große Cellosonate (1934), die ja längst zum Standardrepertoire zählt und entsprechend oft eingespielt wurde. Kim und Günter gelingt hier allerdings eine Darbietung, die in jeder Hinsicht absolut überzeugen kann. Die emotional große Spannweite zwischen fast irrsinnigem Spielwitz und tiefem Ernst wird subtil herausgearbeitet: Technisch perfekt und klanglich beeindruckend – nicht nur im hinreißenden Finale – hält das Duo den Spannungsbogen bis zur letzten Sekunde aufrecht. Die kleineren Stücke – darunter bekannte Bearbeitungen von Levon Atovmyan und sehr gekonnte Liedtranskriptionen der beiden Interpreten – runden das vielschichtige Bild Schostakowitschs ab.

    

"Wirklich aufhorchen lassen dann vor allem drei Kompositionen, sowohl von ihrem technisch-musikalischen Anspruch her, als auch durch gedankliche Tiefe und enorm klare Stimmungscharaktere. Gorokhovs (Jg.1967) Serenade darf man als echten Kracher für die Besetzung Celloduo bezeichnen: Das klingt streckenweise wie ein ganzes Streichorchester, erinnert ein wenig retrospektiv u. a. an Tschaikowsky, ohne je eine oberflächliche Imitation zu werden und fordert absolute Souveränität auf dem Instrument; dem werden Gorokhov und Kim freilich mühelos gerecht. Der in Deutschland immer noch zu selten gespielte Boris Tischtschenko (1939‒2010) schrieb 1960 eine Sonate für Solocello, die ihresgleichen sucht. Zwei scherzoartige, schnelle Sätze zwischen drei Largos von intensivstem Ausdruck demonstrieren die bereits damals typisch postmoderne Haltung des Komponisten. Die echte Entdeckung dieser Veröffentlichung ist die Cellosonate (1985) von Boris Arapow (1905‒1992): Zwar wurde das Spätwerk – hier hat der Komponist die Verbindung zum Sozialistischen Realismus komplett abgelegt – vom Widmungsträger Daniil Shafran auf Melodiya eingespielt (mittlerweile vergriffen), jedoch zeigt sich bei der Neuaufnahme, dass wir hier ein absolutes Kleinod der Gattung vor uns haben. Gerade das klangliche Zusammengehen der beiden Instrumente ist von einzigartiger Schönheit und zeigt die ganz eigenwillige Instrumentationskunst ihres Schöpfers schon bei einer Duo-Besetzung – vollkommen faszinierend. Dieses Werk gehört unbedingt ins Repertoire!

    

Die übrige Musik – darunter das konventionelle, aber zumindest technisch höchst anspruchsvolle Opus 12 Arenskys für Cello und Klavier – dient neben den doch schweren Brocken eher als Auflockerung, bringt jedoch wohl für die meisten Zuhörer weitgehend Unbekanntes. Rosa Marie Günter zeigt bei den Klavierstücken Arthur Louriés (1891‒1966), Galina Ustwolskajas (1919‒2006) – in deren beiden Préludes noch ohne Clusterorgien – und Boris Goltz‘ (1913‒1942) ihre wie immer bis ins Detail durchdachte, stets differenzierte Anschlagskunst. Aufnahmetechnisch ist alles ganz vorzüglich eingefangen, dynamisch wie räumlich fühlt sich der Hörer quasi live dabei. Günters persönlicher Booklettext ist nett; gerade zu den nicht allseits bekannten Komponisten vermisst man leider mehr Informationen. Insgesamt ein ungewöhnliches Programm, dafür künstlerisch auf allerhöchstem Niveau."




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