"Es sind fast ausschließlich Lied-Transkriptionen, die Carmen Stefanescu in ihrem neuen Album präsentiert. Im Gespräch mit Robert Nemeczek, das im Booklet (deutsch und englisch) abgedruckt ist, gibt sie Auskunft über die Gründe, die zu ihrer bunten, von Bach bis zu Fazil Say reichenden Auswahl geführt haben. Die Pianistin, die als Kind mit ihren Eltern vor dem Ceausescu-Regime aus Rumänien über Israel und Italien nach Deutschland flüchtete, legt mit ihrem Programm ein persönliches Bekenntnis ab zu ihren musikalischen Vorlieben, wobei ihre Arbeit als Liedbegleiterin eine entscheidende Rolle spielt. Und auch wenn man gleichsam „Lieder ohne Worte“ hört, so sind für die Pianistin doch die Texte bedeutsam, die sie fast alle „komplett im Kopf“ hat. Schade nur, dass diese Texte im Beiheft nicht zu finden sind.
Die Aufnahmen wurden in der Berliner Ölberg-Kirche gemacht, in der Carmen Stefanescu einen Bechstein-Konzertflügel zur Verfügung hatte, ein Instrument mit samtweichem Klang, der den kantablen Stücken entgegenkommt. Nur in der Höhe klingen bei Forte-Passagen auch schärfere Töne. Die Pianistin weiß sorgsam zwischen Führungsstimme und Begleitung zu differenzieren, doch wäre insgesamt eine noch größere dynamische Palette hilfreich gewesen. Bei Liedern von Debussy, Poulenc und Mompou gefällt der biegsame Anschlag, verbunden mit sinnvoll eingesetzter Agogik. Zwei Rückert-Lieder von Gustav Mahler eignen sich dagegen weniger für die Bearbeitung: sie wirken einfach zu trocken ohne die Beteiligung der menschlichen Stimme.
Griegs Hit Ich liebe dich darf ebenso wenig fehlen wie das Wiegenlied von Brahms. Zwei Ständchen machen einen unterschiedlichen Eindruck: das von Schubert wirkt sehr anrührend in einer gar nicht aufgedonnerten, sondern fantasievollen Fassung von Franz Liszt. Das Ständchen von Richard Strauss könnte dagegen im virtuosen Arrangement von Leopold Godowsky noch etwas deutlicher auf das Gewicht der Singstimme bezogen sein.
Dass Carmen Stefanescu ein Faible für die Folklore hat, beweist vor allem die zweite CD. Das rumänische Lied Frică mi-e că nach Maria Tănase ist ebenso charakteristisch wie das türkische Black Earth von Fazil Say, wobei auch spezielle Techniken mit gezupften oder geklopften Tönen zum Einsatz kommen. In Manuel de Fallas Siete canciónes populares españolas in stilechter Bearbeitung von Ernesto Halffter hätten die tänzerischen Elemente noch prägnanter betont werden können. Eine interessante Entdeckung sind zwei Impromptus mit volksmusikalischem Hintergrund von Jean Sibelius. Für den feierlichen Abschluss sorgt Ferruccio Busonis romantisch klingende Bearbeitung des Chorals Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ aus Johann Sebastian Bachs Orgelbüchlein."
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