"Alexandra Sostmann ist eine Idealistin, sowohl wenn es um die Kultivierung des idealen Klanges geht, als auch in Bezug auf die Herstellung eines durchgängig logischen dramaturgischen Bogens, der musikalische Stilepochen überspannt. In diesem Sinne hat die in Hamburg lebende Pianistin ihre Programme konsequent ausgestaltet und legt auch aktuell wieder eine überzeugende Produktion vor. Wie sehr ist die alte Musik doch ein zeitlos gültiges Bezugssystem? Wie bauen jüngere Schöpfungen auf dem bereits vorhandenen Fundament auf? Und vor allem: Welche Emotion, ja Spiritualität geht daraus heute hervor? Es geht bei Alexandra Sostmanns pianistischen Antworten auf solche Fragen nicht nur um Bach. Davon zeugt etwa eine Komposition von Ottorino Respighi, der eine Passacaglia von Girolamo Frescobaldi neu arrangierte oder Frescobaldi, der eine Canzona von Samuel Feinberg aufgegriffen hat. Das offenbart eine logisch in sich ruhende Tonarchitektur, die Alexandra Sostman klug zu kombinieren weiß. Ein Zeitsprung in die Moderne ist hier kein Widerspruch: György Ligeti brach die barocke Polyphonie auf eine neue Stufe von minimalistischer Kargheit herunter. Das wiederum wirkt aufschlussreich für das Verständnis anderer, komplexerer Ligeti-Kompositionen, die eben auch durch ihren historischen Nährboden so funktionieren. Meditative Versenkung, in denen die Stille zum Bezugspunkt wirkt, erzeugt ein Ricercar von Johann Jakob Froberger, was umso empfänglicher für das prächtige Fugato in seinem Capriccio macht. Das alles im heute weiter zu denken, dafür steht der estländische Komponist Arvo Pärt, dessen Variationen zur Gesundung von Anouschka auf eine in bestem Sinne poetisch wirkende Reduktion der Töne setzen.
Wer aufmerksam hört, fühlt sich in einen Kirchenraum mit gedämpft registrierter Orgel versetzt, wenn Alexandra Sostmann Johann Sebastian Bachs Choral Nun komm der Heiden Heiland intoniert. Diese Art von himmlischer Entrückung setzt sich in Johann Pachelbels Ciacona in f-Moll weiter fort. Wiederum ist es Bach, der sich dem Oboenkonzert von Benedetto Marcello angenommen hat, woraus eine der berührendsten vereinnahmten Melodien die Welt eroberte.
Zum Finale – wie könnte es anders sein – gibt es noch einmal „Bach at it`s Best“. Was umso prägnanter wirkt, weil in diesem Programm eben so vieles jenseits von Bach als Voraussetzung und Folge thematisiert wird. Mit präziser Anschlagskultur, wunderbar impulsiven Auszierungen gestaltet Alexandra Sostmann Bachs Fantasie Christ lag in Todesbanden zum plastischen Dialog zweier unabhängiger Stimmen aus. Gewichtig und kraftvoll kommt das Finale daher. Auch hier haben sich „ewige“ musikalische Werte in späterer Zeit erneuert: Gravitätisch formt Alexandra Sostmanns Spiel die dunklen Akkorde zu Beginn von Bachs Chaconne aus der zweiten Violinpartita. Johannes Brahms hat das vielgespielte Bravourstück im 19. Jahrhundert für Klavier gesetzt. Längst haben sich beim Hören dieser CD alle kombinierten Werke zu einem Gesamtflow vereint, den Alexandra Sostmanns in ihrem Spiel so uneitel erzeugt – was längst zum Qualitätsmerkmal ihrer sämtlichen Produktionen geworden ist."
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